Bundeswehr – perfekt zur Krisenintervention!
Eines der Wesensmerkmale unseres Landes ist – die Ordnung. Dieses Prinzip ist so fest in Deutschland verankert, dass die CSU auch schon ihr Parteiprogramm unter diese Überschrift gestellt hat: Die Ordnung! Ja, es ist durchaus vorteilhaft, wenn Zuständigkeiten und Kompetenzen klar abgegrenzt sind. Man weiß im Vornhinein, an wen man sich wenden muss, und im Nachhinein, wer der Schuldige ist, wenn etwas nicht klappt. Das Prinzip hat aber auch Nachteile: Es führt mit unter dazu, dass in Krisensituationen wertvolle Ressourcen ungenützt bleiben. Es ist unbefriedigend, wenn einer sagen muss: Ich könnte zwar, ich darf aber nicht!
Dieses Problem hat die Bundeswehr seit langem. Erfreulicher Weise gibt es seit längerem schon Aufweichungen von dem Grundsatz, dass die Bundeswehr nur für die Landesverteidigung und als Bündnisarmee tätig sein darf und sich aus allen Krisenfällen im Inneren des Landes heraushalten muss. In den vergangenen Jahren hat die Bundeswehr Hervorragendes geleistet bei der Bekämpfung von Hochwasserkatastrophen, und auch jetzt, in der Pandemie, ist sie wertvoller denn je.
Als den Kliniken der Kollaps drohte, die Intensivstationen überquollen, Menschen aus dem Allgäu nach Nordrhein-Westfalen zur Behandlung geflogen werden mussten und das schreckliche Wort von der Triage die Runde machte, habe ich General Dr. Baumgärtner, den Inspekteur für das Sanitätswesen der Bundeswehr, kontaktiert und ihn gebeten, medizinische Kapazitäten der Bundeswehr für die medizinische Bewältigung der Pandemie zur Verfügung zu stellen. Ich hatte angeregt, nicht mehr genutzte Sanitätseinrichtungen zu reaktivieren, pensionierte Soldaten und in Rente befindliche Zivilangestellte zu rekrutieren und die Sanitätsakademie der Bundeswehr in München unterstützend einzusetzen.
Meine Bitte fiel auf fruchtbaren Boden: Der General und seine Mitarbeiter sind intensiv mit der Rekrutierung beschäftigt, auch die Akademie und insbesondere die Bundeswehrkrankenhäuser leisten ihren Beitrag.
Lediglich bei der Reaktivierung von Sanitätseinheiten mochte er mir nicht zustimmen, hier verfolgt er einen anderen Weg.
Wir sind uns aber einig darüber, dass medizinische Ressourcen der Bundeswehr noch stärker ausgebaut und auch in den Dienst der gesamten Bevölkerung gestellt werden müssen. Die Bundeswehr arbeitet hier auf allerhöchstem Niveau und, was besonders wichtig ist, verfügt über Mitarbeiter mit ausgeprägter Krisenreaktionserfahrung.
Ich habe ihn angeschrieben und mit ihm telefoniert. Dabei habe ich auch deutlich gemacht, dass diese Pandemie in ganz besonderem Maße die Notwendigkeit aufzeigt, das in Kaufbeuren geplante Sanitätsregiment nun zeitnah zu verwirklichen. Dieses Regiment ist nicht nur ein Gewinn für Kaufbeuren, das Ost- und das Unterallgäu, sondern für die medizinische Versorgung in ganz Deutschland.
Und nun bin ich wieder bei meinem Anfang: Wir können stolz sein auf unsere Ordnung. Trotzdem müssen wir sie ein wenig aufweichen. Wir müssen flexibler werden. Wenn Not am Mann ist, muss Bundeswehr auch zivile Medizin unterstützen. Und dies gilt auch in anderen Bereichen: Wer helfen kann, wird gebraucht, unabhängig davon, ob es hierfür eine Zuständigkeit gibt. Wer hilft, sollte sich aber auch keine Sorgen mehr darüber machen müssen, dass ihm im Nachhinein einer einen Strick daraus dreht, weil er vielleicht über seine Zuständigkeit hinausgegangen ist. Wer im brennenden Haus sitzt, ist froh, wenn ihn die Feuerwehr herausholt, auch wenn sie dabei Fenster und Türen einschlagen muss.
Leider ist es bei uns manchmal noch so, dass dann im Nachhinein überlegt wird, ob man das Opfer auch hätte bergen können, wenn man nur das Fenster und nicht auch noch die Tür demoliert hätte. Deswegen: Ordnung ist wichtig, aber mindestens genauso wichtig ist Eigeninitiative, Mut und beherztes Zupacken, auch wenn es manchmal der Ordnung widerspricht.