Mein Unwort des Jahres: „Die Politik“!

 In Aktuelles, Was mich beschäftigt

Jedes Jahr wird ein besonderer Begriff zum Unwort gekürt. Meistens steckt dabei auch eine politische Botschaft dahinter. Mein Unwort des Jahres 2021 lautet: „Die Politik“! Ja, was ist sie denn, die Politik? Alles und gar nichts! Die Politiker? Eine politische Meinung? Die verfassungsmäßige Ordnung? Die Gesetze? Der Gesetzesvollzug? Politische Entscheidungen oder Entscheidungsträger? Die Politik! Meist wird der Begriff mit Bewertungen politischer Tätigkeit oder mit konkreten Forderungen verbunden:
„Die Politik muss jetzt endlich handeln!“
„Die Politik hat versagt!“ „Die Politik hat keine Antworten auf die Fragen unserer Zeit.“
„Die Politik“? Ja, wer denn bitte? Wer ist gemeint, wenn die von mir zitierten Sätze in Talkshows, in Schulen oder beim persönlichen Gespräch fallen? Der Kanzler? Seine Vorgängerin? Die Regierung? Die Opposition? Der Bund? Das Land? Die Kommune? Wenn ich auf „die Politik“ angesprochen werde, stelle ich immer die Frage: Meinen Sie mich? Ich bekomme dann zur Antwort: Nein, natürlich die in Berlin. Aha, denke ich mir, ich bin also nicht „die Politik“. Was bin ich denn dann?
Verallgemeinerungen sind generell gefährlich, bei Politikern, die anders als andere in der Öffentlichkeit stehen, umso mehr. Sie kennen den Spruch: „Alle in einen Sack und draufhauen, es trifft schon den Richtigen!“
Ich möchte aber nicht mit Herrn Hofreiter in einen Sack gesteckt werden, und er umgekehrt vermutlich auch nicht.
Die Verallgemeinerung ist in jeglicher Hinsicht verkehrt: Gerade unsere parlamentarische Arbeit lebt doch davon, dass unterschiedliche Gruppierungen ganz verschiedene Ansätze zur Lösung von Problemen haben. Die einen setzen auf individuelle Freiheit, die anderen bevorzugen engmaschige Regelungen. Der eine will öffnen, der andere verfügt einen Lockdown. Einer will eine Impfpflicht für alle, der andere nur für Menschen ab 60, andere wiederum lehnen das grundsätzlich ab. „Die Politik?“
Auch wenn es um die Umsetzung von Ideen geht, ist diese Pauschalierung gefährlich. Eine Oppositionsfraktion hat viel weniger Möglichkeiten, ihre Ideen konkret umzusetzen, als dies bei Regierungsfraktionen der Fall ist. Stellen Sie sich vor, man hätte schon in den 80er-Jahren von „der Politik“ gesprochen. „Die Politik“ setzt auf Atomkraft. „Die Politik“ will den NATO-Doppelbeschluss durchsetzen. Wäre ich ein GRÜNER, hätte ich mich damals über diese Beurteilung heftig beschwert. Zu Recht!
„Die Politik“ mit dieser undifferenzierten Betrachtung schützt man übrigens auch diejenigen Politiker, deren Arbeitsauffassung und Amtsführung nicht mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt. Man unterstellt damit nämlich, es sind ja alle gleich. Damit wären wir wieder bei dem Sack und dem Draufschlagen.
Ich halte den Begriff „die Politik“ auch für im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich. Das gilt genauso für die Ärzteschaft, die Richterschaft, die Landwirtschaft, den Handel, die Arbeiterschaft. Warum sprechen wir nicht von Ärzten, Anwälten, Richtern, Landwirten, Händlern und Arbeitern?
Ich wünsche mir präzise Aussagen und Werturteile und dann auch eine Differenzierung. In einer pluralistischen Gesellschaft gibt es verschiedene Auffassungen, unterschiedliche Herangehensweisen und, wie in jedem Beruf, bessere und schlechtere. Da gilt natürlich auch für einzelne Entscheidungen, nicht zuletzt für Lebensphasen. Ich habe in meiner politischen Laufbahn einiges richtig, aber auch manches falsch gemacht. Nachdem ich mir für meine Entscheidungs-findung mitunter einen langen Überlegungsprozess einräume, kann ich aber von mir behaupten, ich laufe keinen Trends nach, sondern bilde mir meine Meinung selbst. Umso mehr ärgert es mich, wenn ich dann mit Dingen identifiziert werde, die ich persönlich ganz anders sehe und bei denen ich auch anders abgestimmt habe.
Eines noch zum Schluss: „Die Politik“ kommuniziert nicht mit den Menschen, so lautet ein verbreiteter Vorwurf. Das empfinde ich als besonders bitter und auch ungerecht. Wer hat denn die Chance, große Mengen der Bevölkerung zu erreichen? Diejenigen, die in die Talkshows eingeladen werden. Und das sind bemerkenswerter Weise immer dieselben. Ich selbst durfte in meiner Laufbahn zweimal Gast in einer Talkshow sein, allerdings nicht in Deutschland, sondern bei SAT. 1/PULS 4 in Österreich, zum Thema BayernLB/Hypo Alpe Adria. Bei meiner zweiten Talkshow saßen übrigens Wolfgang Sobotka, der heutige österreichische Parlamentspräsident, und Werner Kogler, heute Vizekanzler der Republik Österreich, mit in der Runde. In solchen Formaten kann man sehr viele Menschen erreichen. Aber eben nur, wenn man eingeladen wird.
Ich versuche, die Menschen in meiner Region über meine Arbeit zu informieren, unter anderem durch diesen Newsletter. Der Datenschutz verhindert es aber, dass ich Zigtausende im Allgäu erreiche. Ich unterrichte die Medien, die dann auch über meine Arbeit berichten. Es gibt Bürgersprechstunden und außerhalb von Corona-Einschränkungen versuche ich auch, möglichst viele Termine wahrzunehmen, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Das ist meine Art, Politik zu machen. Dem einen gefällt das, dem anderen weniger.
Mein Wunsch für die Zukunft lautet: Schaut Euch an, welcher Politiker für welche Inhalte steht, wofür er sich einsetzt und was er leistet. Bildet Euch Euer Urteil über Menschen, nicht aber über einen seelenlosen Apparat, den man als „die Politik“ bezeichnet.

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