Ortstermine zur Anbindehaltung
Pohl: Landwirte brauchen Planungssicherheit und keine Ideologischen Kurzschlussentscheidungen!
Am vergangenen Montag, den 21. Oktober, besuchte der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl im Rahmen eines Ortstermins einen landwirtschaftlichen Betrieb in Lachen bei Nesselwang. Anlass dieses Treffens im Ostallgäu ist der Gesetzesentwurf für die Änderung des Tierschutzgesetzes, der von den Parteien der Ampel-Regierung am 26. September ins Parlament eingebracht wurde und am 14. Oktober im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft in einer öffentlichen Anhörung behandelt wurde.
Besonders die geplanten Einschränkungen der Anbindehaltung und der sogenannten Kombihaltung sowie neue Bestimmungen zur Enthornung von Kälbern stoßen dabei bei Vertretern der Landwirtschaft auf Unverständnis. Die Anbindehaltung soll dabei nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren gänzlich verboten werden, während die Bestimmungen zur sogenannten Kombihaltung, also Anbindehaltung, bei der jedoch an mindestens 120 Tagen freie Bewegung für die Milchkühe gewährleistet ist, verschärft werden sollen. Bezüglich der Enthornung von Kälbern ist in dem Gesetzesentwurf vorgesehen, dass bei jedem Enthornungsprozess ein Tierarzt anwesend sein muss. Um die Implikationen dieser geplanten Gesetzesänderungen vor Ort mit Praktikern zu besprechen, traf sich Bernhard Pohl, Erster Stellvertretender Vorsitzender der Freie Wähler – Landtagsfraktion in Lachen mit der Familie Unsinn, Betreiber einer Landwirtschaft mit aktuell 46 Kühen, Andreas Schmid, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im Ostallgäu, Dr. Leopold Herz, ehem. Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Bayerischen Landtag und Conny Simon, stellvertretender Kreisbäuerin im Ostallgäu.
Laut Andreas Schmid beträfen die Änderungen in Bayern ca. 11 000 landwirtschaftliche Betriebe, die Anbindehaltung betreiben, sowie ca. 1800 Betriebe mit Kombihaltung. Insgesamt erwirtschaften diese Betriebe in etwa 20 % der in Bayern produzierten Milchmenge. Problematisch sei dabei, dass politisch zwar immer wieder Bekenntnisse zu kleinen Landwirtschaftsbetrieben gemacht werden, solche Änderungen aber überproportional die großen Betriebe bevorteilen. Besonders die neuen Anforderungen an Ställe drohen dabei kleine Betriebe zu überfordern, da die Kosten eines Neubaus zu einer hohen Verschuldung der Landwirte führen würden oder gar die Übergabe des Hofes inklusive des Viehbestandes aufgrund der erforderlichen Umbauzeit unmöglich machen würde. Zur Folge hätte dies einen Strukturumbruch anstatt eines vorgesehenen und laut Herrn Schmid bereits laufenden Strukturwandels.
„Wenn wir unsere Standards der Ernährung selbst definieren wollen, benötigen wir heimische landwirtschaftliche Betriebe. Hier müssen wir aufpassen, dass das Vertrauen der Landwirtschaft in die Politik nicht enttäuscht wird. Ställe werden nicht für ein paar Monate gebaut, sondern für Jahrzehnte. Ideologisch getriebene Gesetze wie das neue Tierschutzgesetz gefährden ein über Generationen gewachsenes System der Landwirtschaft, das nicht nur zentral für unsere Grundversorgung ist, sondern auch ein elementarer Bestandteil unserer Tourismusbranche“, kommentiert der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl.
Herr Unsinn, der den landwirtschaftlichen Familienbetrieb 2011 übernommen hat und Leopold Herz, selbst langjähriger Landwirt, widersprechen dabei vor allem den Vorwürfen, dass eine Anbindehaltung oder Kombihaltung mit Tierquälerei gleichzusetzen sind. Landwirte würden Ihre Tiere gut genug kennen, um zu wissen, wann es ihnen gut oder schlecht geht. Schon an der Milchmenge ließe sich erkennen, ob die Tiere gesund und gepflegt sind. Pauschalvorwürfe der Qualhaltung seien demnach nicht nur realitätsfremd, sondern auch unangebracht.
„Landwirte hier unter Pauschalverdacht zu stellen ist weder zielführend noch gerecht. Die deutlich überwiegende Mehrheit der Landwirte mit einigen schwarzen Schafen in einen Topf zu werfen und dies als Grundlage für eine Verschlechterung der Ausgangssituation aller Betreiber zu nutzen, entbehrt jeder Vernunft. Ehrliche Landwirte, die sich um das Wohlergehen ihrer Tiere kümmern, werden hier in Sippenhaft genommen wegen einiger, wohlgemerkt zurecht, bekannt gewordener Extremfälle. Das darf so nicht sein!“, betont Pohl.
Andreas Schmid und Conny Simon betrachten neben der Anbindehaltung einen weiteren Punkt der Gesetzesnovelle kritisch: Die neuen Regelungen zur Enthornung von Kälbern. Die vorgesehene Anwesenheitspflicht eines Tierarztes bei der Enthornung halten sie für realitätsfremd und letztendlich auch nicht durchsetzbar. Bereits die Termin-Kapazitäten der vorhandenen Tierärzte würden besonders für kleinere Höfe bereits zu Komplikationen führen. Zusätzlich wären Landwirte durchaus in der Lage, den gesamten Vorgang selbst durchzuführen, da die Ausbildung in der Landwirtschaftsschule besonderes Augenmerk auf dieses Thema lege und so eine schmerzfreie und sichere Enthornung auch ohne die Anwesenheit eines Tierarztes gesichert möglich ist.
„Auch die Thematik der Enthornung von Kälbern verdeutlicht, dass mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes Landwirten Teile ihrer Eigenverantwortung entzogen werden sollen. Wissen und Vorgehensweisen, die sich über Jahrzehnte bewährt haben, sind auf einmal obsolet und Politiker schreiben Praktikern vor, wie sie ihre Arbeit zu machen haben. Bei der Anbindehaltung wird versucht, einen Wandel, der in absehbarer Zukunft im Zuge der Erneuerung von Höfen und Ställen von selbst stattgefunden hätte, mit der Brechstange zu erzwingen, ohne Rücksicht auf die Folgen für unsere Grundversorgung, Tourismus und Gesellschaft. Den Ideologen in Berlin hätte es gutgetan, sich aus diesem Thema einfach herauszuhalten! Meine Fraktionskollegen in München und ich werden uns hier einsetzen, um eine Lösung zu finden, die der Landwirtschaft das Vertrauen in die Politik und die Eigenverantwortung für ihre elementar wichtige Arbeit zurückgibt!“, so Bernhard Pohl abschließend.
Da das Thema der Anbindehaltung nicht nur im Ostallgäu kritisch beäugt wird, besuchte der Abgeordnete am selben Tag noch einen Hof in Türkheim im Unterallgäu. Auf dem Hof von Herrn Amberger, Halter von aktuell 26 Kühen, diskutierte Herr Pohl gemeinsam mit dem Kreisobmann des BBV im Unterallgäu, Martin Schorer und Dr. Leopold Herz ebenfalls das Thema der Anbindehaltung und der Enthornung von Kälbern sowie des Tierschutzgesetzes im Allgemeinen.
Während die Grundproblematiken bezüglich des Tierschutzgesetzes auch im Unterallgäu Bestand haben, betonte Herr Amberger einige Besonderheiten, die auf seinen Hof zutreffen. Die Regionalität sei ein Aushängeschild der Landwirtschaft in Bayern, wenn Höfe wie seiner verloren gingen, würden bald nur noch Großbetriebe existieren. Er wäre besonders von den Verschärfungen des neuen Tierschutzgesetzes betroffen, da er erst kürzlich eine größere Investition in einen Stall nach modernsten Standards investiert habe. Die fehlende Planungssicherheit bereite ihm und vielen seiner Kollegen große Kopfschmerzen.
„In diesem Fall zeigt sich besonders, welche Auswirkungen derartige Kurzschlussgesetze auf die Landwirtschaft haben. Hier investiert ein erfahrener Landwirt in einen Stall der höchste Qualitätsstandards erfüllt und im Vertrauen auf eine stabile Landwirtschaftspolitik gebaut wurde, um seinen Betrieb fit für die Zukunft zu machen und plötzlich reicht das auch nicht mehr aus“ so Pohl.
In Bezug auf die Enthornung von Kälbern kritisiert Martin Schorer ebenfalls vehement die Anwesenheitspflicht eines Tierarztes. Es sei unmöglich hier ein tragfähiges System auf die Beine zu stellen, bei dem jedes Mal ein Tierarzt die Enthornung übernehmen oder ihr beiwohnen soll. In diesem Zusammenhang sei ein weiteres Thema der Wegfall der Landwirtschaftsschule in Mindelheim. Dies Sorge für eine weitere Verunsicherung der Landwirte im Ostallgäu, da immer weniger der Jungbauern bereit dazu sein, den Weg nach Kaufbeuren auf sich zu nehmen, um eine landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren.
„Lange habe ich darum gerungen, dass die Landwirtschaftsschule in Mindelheim bestehen bleibt – leider ohne Erfolg. All die hier angebrachten Kritikpunkte zeigen für mich vor allem eins: Die Landwirte sind frustriert. Zu Recht! Unklare Signale aus der Politik in Brüssel und Berlin, der Wegfall von Förderungen und Pauschalvorwürfe gegen ihren Berufsstand. Kein Wunder, dass dann Zukunftsangst und Schwierigkeiten bei der Nachfolge an der Tagesordnung sind. Es kann nicht sein, dass sich die Gesetze bei Investitionen, die 30 Jahre halten sollen, alle vier Jahre ändern! Es braucht wieder mehr Planungssicherheit für die Landwirtschaft!“, schließt der Stimmkreisabgeordnete des Unterallgäus, Bernhard Pohl.